Josef Kostner

Gedichte

Das anhaltende Interesse für Geschichte und Literatur verdankt Josef Kostner vielleicht seiner Mutter und deren Bibliothek, die sie im Haus hatte. Schon als Kind liest er viel, er schreibt Gedichte und hält in Heften Beobachtungen fest. Aus dieser Sammlung entsteht 2007 seine Gedichtsammlung „Cun lizënza“ (Sie erlauben).
In seinen lyrischen Werken verarbeitet er Kindheitseindrücke, durch die Kriegszeit geprägt, Erlebnisse und Empfindungen einer sich durch den Wirtschaftsaufschwung verändernden Gesellschaft. Er hält uns einen Spiegel vor, in seinen Gedichten zeigt er unbarmherzig Missstände auf und kritisiert die Selbstgefälligkeit der Gesellschaft. Es sind einfache Verse, manchmal in Reim gesetzt, von einer bestechenden Einfachheit und dennoch einschneidender Ironie- Ausdruck eines genialen Denkens. Seine Gedichte sprechen von Hypokrisie, von der Dummheit der Mächtigen und Kurzsichtigkeit der Geschäftsleute, Opportunismus und Heuchelei. Auch der Verfall der Muttersprache wird auf melancholische Weise beschrieben. Ein Identitätsverlust, der durch die Abflachung der ladinischen Sprache unaufhaltsam voranschreitet.
2010 erscheint das Band mit Sammlungen verschiedener Erzählungen und Anekdoten „Zacan cuntovi“ (Einst wurde erzählt). Geduldig hatte Josef Kostner unzählige Erzählungen notiert, die er bei Besuchen in zahlreichen Häusern des Grödnertales gehört hatte. Er war tief mit der lokalen Geschichte verwurzelt und suchte stets nach noch vorhandenen Spuren einer einst bäuerlichen Welt. In diesem Buch wird an die mündliche Erzählweise angeknüpft- ein Dokument, das nicht nur geschichtliche Ereignisse und Personen in Erinnerung behalten will sondern auch die ureigene Ausdrucksweise der ladinischen Sprache wiedergibt. Wie in seinen lyrischen Werken so sucht Kostner auch hier zuerst den Inhalt, die „Wahrheit des Lebens“. Erst anschließend gibt er ihr die „Form“.
„Meine Gedichte die ich in ladinischer Sprache hin und wieder geschrieben habe, befassen sich alle mit dem Tema der Umwelt und dem Schwinden aller Ideale. Wenn von Seiten meiner Freunde meine Gedichte veröffentlicht wurden, habe ich immer Angst vor nachteiligen Reaktionen gehabt, die auch nicht ausgeblieben sind“.

Eine weitere großartige Arbeit ist seine Sammlung alter Begriffe der Toponomastik, Namen von Fluren und Hofnamen. Eine Liebeserklärung an seine Heimat, die Josef Kostner mit einem Anflug an Bitterkeit beschreibt: „Ich war viele Tage auf Almen und Schweigen unterwegs, um die letzten Hirten zu befragen. Es hat mich immer zutiefst bedrückt, wie unsere größten Werte-unser Heimatboden und unsere alte Kultur -zerstört und der Habgier geopfert werden.“

Cialé


Ladin

Cialé y purvé
de ti la fé
a duc chëi ch’la va
decà y delà
dessot y dessëura
da uni ëura
dant y do su
per avëi po deplù
da lascé da arpé
canche t’es da cherpé!

Deutsch

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1944


Ladin

For scuté, la mans viadò,
nia pansé, mé for dì do
chël che t’univa dit dant
da vel’ pitl acort o vel’ grant,
n puni tl nes da vel’ nazist
o n pe tl cul da vel’ fazist,
se stanië l sanch cun nëif dlaceda
y sté chiet te banch
cun la musa plateda!

Deutsch

Immer still sein, Hände auf dem Rücken,
nicht denken, nur immer nachplappern,
was einem vorgesagt wurde
von irgendeinem kleinen Gescheiten oder Großen,
ein Faustschlag auf die Nase von einem Nazisten
oder ein Tritt in den Hintern von irgendeinem Faschisten,
sich das Blut stillen mit gefrorenem Schnee
und weiter still in der Schulbank sitzen
mit plattgeschlagener Fresse!

Audio poesia de

Mit Verlaub!


Ladin

Cun lizënza,
possen pa mo rujené gherdëina tlo da vo?
Savëis bën,
ntlëuta n’ons mparà vel’ d’auter.
Ie ve priëss’ bën bel
sce fussais tan bon
y che pudess’ ve l dì per gherdëina.
Canche nëus ne son plu,
n’ëis plu drë de audì chësc rujené.
Savëis bën,
nëus son mo mpue da zacan,
scusëis bën!
Mo n valgun ani,
po saral bën na fin.

Savon bën, che ne l audieis gën.
Sambën, arëis bën rejon,
l sarà bën drët coche vo ulëis,
coche ëis for ulù.
Mpue de pazienza,
mo n valgun ani.

Śën ntant priessi bën bel,
cun lizënza,
sce pudëss’ mo ve dì chësc per gherdëina;
po uniral bën miec,
ëis’a bën rejon,
sciche l’ëis for abuda
- mo chisc trëi vedli, tlo bën.
I jëuni ve fej pa bën al sënn –
arëis bën mo mpue de pazienza,
cun lizënza!

Deutsch

Mit Verlaub,
kann man hier bei ihnen noch Grödnerisch sprechen?
Sie wissen doch,
wir haben damals nichts anderes gelernt.
Ich würde sie recht herzlich bitten,
wenn sie so gut wären,
dass ich es ihnen auf Grödnerisch sagen könnte.
Wenn wir einmal nicht mehr sind,
brauchen sie dieses Gerede nicht mehr zu hören.
Sie wissen doch,
wir sind einfach noch ein wenig altmodisch,
sie entschuldigen doch!
Noch einige Jahre,
dann wird wohl Schluss damit sein.

Wir wissen wohl, dass sie es nicht gerne hören.
Natürlich, sie haben sicher recht,
es wird schon richtig sein, wie sie es wollen,
wie sie es immer schon wollten.
Ein wenig Geduld,
nur noch ein paar Jahre.

Einstweilen würde ich aber doch bitten,
mit Verlaub,
wenn ich ihnen dies noch auf Grödnerisch sagen könnte;
dann wird bald alles besser,
sie haben sicher recht,
wie sie es immer hatten
- noch diese paar Alten, ja, ja,
die Jugend wird ihnen sicher gehorchen –
sie werden doch noch ein wenig Geduld haben,
mit Verlaub!

Ladinisches Schicksal


Ladin

Udëi y nia pudëi
audì y nia savëi
dlutì y nia bradlé
streflé y jemé
julé bas
fanc de duc
puere respuc
Grob Welsche
Krautwelsche
Austriach o Tudësch
Tirol o Talian
Belun o Bulsan
prëibel dijëde vo
chi che son
y ulache tucon!

Deutsch

Sehen und nicht können
hören und nicht wissen
schlucken und nicht weinen
kriechen und leiden
untertänig
Diener aller
arme Überbleibsel
Grob Welsche
Krautwelsche
Österreich oder Deutsch
Tirol oder Italien
Belluno oder Bozen
Bitteschön könnt ihr mir sagen
wer wir sind
und zu wem wir gehören!

Nach dem Abendessen in der Küche


Ladin

Do cëina te cësadafuech, tiebia,
sentei pra mëisa;
sëura nëus na lum cun n pëir da sessanta.
Chiet iel; mé l’ëura auden jan;
unitant n spëich che pëta te cianton de mëisa.
La fëna fej scapins al mënder,
che s’la dorm bon saurì te stua.
Ie che scrije chësta trëi paroles da nia,
da nia y da puech,
da puech y da uni di,
zeche, che suzed dlonch y uni di.

Mé l culëur cueciun dla mëisa che m’adorba
y me stancia i uedli.
Me sfrëie n uedl y cële sul’ëura:
l ie la diesc;
y nsci pënsen nce de se n jì bel plan a durmì,
bon saurì o no,
nfin duman daduman…

Deutsch

Nach dem Abendessen in der Küche, lauwarm,
wir sitzen am Tisch;
über uns eine Lampe mit einer 60 Watt Glühbirne.
Ruhig ist es; nur die Wanduhr hört man ticken;
Ab und zu eine Stricknadel, die an die Tischkante stoßt.
Die Frau strickt Socken für den Kleinen,
der gemütlich in der Stube schläft.
Ich, ich schreibe diese unwichtigen Wörter,
belanglos und geringfügig,
geringfügig und alltäglich,
etwas, das sich überall und alltäglich abspielt.

Nur die rote Farbe des Tisches blendet mich
und ermüdet meine Augen.
Ich reibe mir das Auge und schaue auf die Uhr:
es ist 10 Uhr;
so denkt man auch, dass es Zeit ist, langsam schlafen zu gehen,
im Tiefschlaf oder nicht,
bis morgen in der Früh ..

Andere Version

Nach dem Abendessen.
Nach dem Abendessen in der Küche,
Wohlig warm sitzend bei Tisch.
Über uns eine Lampe mit einer Birne zu 60 Volt.
Still ist es, nur die Uhr hört man ticken.
Immer wieder eine Stricknadel die an der Tischkante stößt.
Meine Frau strickt Socken für den Jüngsten der ruhig in der Stube schläft.
Ich der diese paar Wörter schreibe,
einige Wörter ohne viel wert und Sinn. Etwas Alltägliches.
Etwas was Überall geschieht, jeden Tag.
Nur die rote Farbe des Tisches die mich blendet und meine Augen ermüdet.
Ich reibe mir ein Auge und schaue auf die Uhr.
Es ist zehn Uhr, und so ist es auch Zeit schlafen zu gehen!

Geld


Ladin

Scioldo beat, scioldo sant
scioldo santiscimo
santes vo da diesc
mo plu vo da cënt
a vo da mile luna n cërtl
a vo da diescmile n pustamënt
a chëles da cëntmile, pustamënt ghilga y cërtl.
Milions, ideal, fin, scopo dla vita!
Lauron, rafon y crazon nfin che pudon
nchegonse de giustizia, amor y ciarità!
Cun scioldi ruven pra roba
cun roba pra scioldi
perchël chël che roba, roba arà,
y scioldi ne mancerà
canche l unirà
l setëur cun la fauc taienta
y zënza damandé te tuleral
messan lascé dut da arpé y strité
nchina che ti avëi sarà inò sparcantà
y a n auter rafvus passà!

Deutsch

Seliges Geld, heiliges Geld
hochheiliges Geld
heilig ihr Zehner
noch mehr ihr Hunderter
ihr Tausender leuchtet ein Heiligenschein
ihr Zehntausend bekommt Sockel
ihr Hunderttausend bekommt Sockel, Lilie und Heiligenschein.
Millionen, Ideal, Ziel, Sinn des Lebens!
Arbeiten, erkämpfen und erbeuten solange es geht
wir scheißen auf Gerechtigkeit, Liebe und Nächstenliebe!
Mit Geld gelangt man zu Besitz
mit Besitz zu Geld
deshalb, wer stielt wird Besitz haben
und Geld wird niemals fehlen
wenn der Sähmann
mit seiner scharfen Sense
und ohne zu fragen, dich nimmt,
wirst du alles den Erben zum Streit überlassen müssen
bis dein Besitz wieder verschwendet sein wird
und schon ein anderer Gieriger vorbeikommt!

Momente


Ladin

L vën mumënc che ne sé
sce ie son mo ie
chël ie, che fova plën de ueia y speranza
plën de amor y legrëza
chël ie, che fova dut autramënter
de chël ie che son śën
chël ie, che ne crëia plu a dut,
śën me sà che son n auter ie
y mpo sons l medemo
ie cële a mi mans y vëije
che son mpo mo l ie da ntlëuta
me recunësce a chël snegher
dlongia l polesc ju
a chël dëit taià via
ma a vel’d’auter
ne me cunescësse bën plu nia!

Deutsch

Es gibt Momente, wo ich nicht weiß
ob ich noch ich bin
dieses ich, voller Lebenslust und Hoffnung
voller Liebe und Freude
dieses ich, war vollkommen anders
als das ich, das ich jetzt bin
dieses ich, das nicht mehr an alles glaubt
mir scheint, ich bin ein anderer
und dennoch bin ich derselbe
ich schaue auf meine Hände und sehe
ich bin doch derselbe von damals
ich erkenne mich an meiner Narbe
neben dem Daumen
an dem abgeschnittenen Finger
aber an allem anderen
erkenne ich mich nicht mehr!

Angst


Ladin

Trac su a ulghé y scuté,     
a lauré y se lascé trapulé,   
a se lascé cumandé y ciacé.

Usei che dut chël che n à dit o fat   
ie da macaron y da musciat   
falà y piciadrà.   

For avëi tëma da striches dala urëdles   
da maldescion y castich   
da busc y perjon   
da purgatuere o l infiern   
da maestri y pulitiganc   
da chëi dai scioldi o dai granc.   

Da se fé marueia   
che se nfidon merë mo a viver!

Deutsch

Erzogen zum Gehorchen und Schweigen,
Arbeiten und betrogen werden,
sich befehlen und jagen lassen.

Gewohnt, dass alles was man gesagt oder getan
blödsinnig und dumm,
falsch und sündhaft ist.

Immer Angst haben vor Schlägen und Ohrfeigen
vor Verdammnis und Strafe
vor Verhaftung und Kerker
vor Fegfeuer oder Hölle
vor Lehrern und Politikern
vor den Reichen oder den Großen.

Ist doch erstaunlich,
dass wir es überhaupt noch wagen zu leben!

Picëi!


Ladin

Pitli picëi, gran picëi,
picëi veniëi, picëi murtei,
picëi che svëia vendëta al ciel,
picëi pistei, picëi scutei,
picëi arpei o purdenei,
n cuer plën de picëi,
n mastl de picëi,
n ste de picëi,
n ceston o na biena,
n luech mpiciadrà,
na val mpiciadreda,
danter aslonch y Fermeda!

Deutsch

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Bon di!


Ladin

Tlo bën adide
Bon di
chël dëssen dì
ie bën saurì da dì.
Ma canche tlo bën
un che sta te Gherdëina
da vint ani y nce deplù
y che l ne sà mo no da dì Bon di
tlo bën
o che l ie da totl
o che l ie n ciavon
ma n dur!

Deutsch

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Cun lizënza!


Ladin

Cun lizënza,
possen pa mo rujené gherdëina tlo da vo?
Savëis bën,
ntlëuta n’ons mparà vel’ d’auter.
Ie ve priëss’ bën bel
sce fussais tan bon
y che pudess’ ve l dì per gherdëina.
Canche nëus ne son plu,
n’ëis plu drë de audì chësc rujené.
Savëis bën,
nëus son mo mpue da zacan,
scusëis bën!
Mo n valgun ani,
po saral bën na fin.

Savon bën, che ne l audieis gën.
Sambën, arëis bën rejon,
l sarà bën drët coche vo ulëis,
coche ëis for ulù.
Mpue de pazienza,
mo n valgun ani.

Śën ntant priessi bën bel,
cun lizënza,
sce pudëss’ mo ve dì chësc per gherdëina;
po uniral bën miec,
ëis’a bën rejon,
sciche l’ëis for abuda
- mo chisc trëi vedli, tlo bën.
I jëuni ve fej pa bën al sënn –
arëis bën mo mpue de pazienza,
cun lizënza!

Deutsch

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L'oma ladina


Ladin

L`oma ladina
uel scri ite si mut
te Scuola elementare o Volksschule
de Ortisei – Urtijëi – St. Ulrich,
ma i ne sa sot a cie categurìa
che i dë`l scri ite:
sce ladin- italiano o ladin – deutsch
o italiano – ladin chësc pitl bambin
o deutsch – ladin o Deutschtirol
o Welschtirol o Südtirol
o Süddeutschland o Baiern
o Alpenvorland o Hinterland
o Alto Adige o Italia del Nord
o Ladin blòt o Deutsch o Italiano!

Po s l tol-ela bel rëit pra la man
Y se l porta inò a cësa per n ann!

Deutsch

Keine Übersetzung Verfügbar

L oma Ladina

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